185
Beispiel und die Lehren der guten Eltern wirkten auch so vor-
teilhaft auf den sanften Knaben, daß er sein ganzes Leben
hindurch nie von Gottes Wegen abwich, und sein inniges Gott-
vertrauen ihn bei allen Veränderungen seiner Schicksale aufrecht
erhielt. Er verlor schon im Ilten Jahre seinen Vater. Der
Großvater gab ihm nun einen treuen Erzieher, bis er nach
Pforzheim auf die Gelehrtenschule kam. Hier wurde er bald
der Liebling aller Lehrer wegen seines stillen, bescheidenen Flei-
ßes und seiner schnellen Fortschritte, die so groß waren, daß
er schon im 14ten Jahre die Universität beziehen konnte. Er
studirte in Heidelberg, dann in Tübingen. Hier fiel ihm eine
Bibel in die Hände, und diese bewirkte bei ihm dasselbe, was
sie bei Luthern bewirkt hatte. Nun legte er sich mit ganzer
Seele, neben den Studium der alten Sprachen, auf die Er-
kenntniß der christlichen Religion. Seine Gelehrsamkeit, ob ec
gleich sie nie zur Schau trug, machte ihn bald so berühmt, daß
ihn Friedrich der Weise 1518 nach Wittenberg als Professor
der griechischen Sprache berief. Seine erste Bekanntschaft war
hier Luther, und so verschieden auch beide an Temperament
waren, so wurden sie doch die innigsten Freunde; denn beide
waren von gleicher Liebe zu Gott erfüllt, beide hatten gleichen
Eifer, die Religion Jesu in ihrer unverfälschten Reinheit zu
lehren, und den Unterricht des Volks zu verbessern. So heftig,
aufbrausend, kräftig und selbst übereilt Luther zuweilen war,
so sanft, bescheiden, furchtsam und besonnen war Melanchthon.
Aber solcher Männer bedurfte auch die Vorsehung, um die Re-
formation zu bewirken. Melanchthons Mäßigung hätte diese
nie zu Stande gebracht; aber Luthers Kraft, sein Feuereifer
wurde durch die Bedachtsamkcit seines Melanchthons gemäßigt,
und so wirkten beide vereint unendlichen Segen für die Mensch-
heit. Ohne Neid erkannte Luther die größere Gelehrsamkeit
seines Freundes an; er nannte ihn nie anders als — seinen
Philipp, und dieser wieder nannte ihn schlechtweg den Doctor.
Beide machten Wittenberg zur berühmtesten Universität ihrer
Zeit;von allen Seiten strömten die Jünglinge herbei, von ih-
nen zu lernen, und Melanchthon hatte zuweilen über 2000 Zu-
hörer in seinen Vorlesungen. Von Körper war er schmächtig,
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Extrahierte Personennamen: Friedrich Friedrich Melanchthon Philipp Philipp Melanchthon
3üi
und wenn fein Hofmeister schlief, stand er am offenen Fenster
mit dem Himmels-Globus in der Hand, und studirte die
Sternbilder. Als er noch nicht 20 Jahre alt war, reiste er
von Leipzig nach seinem Vaterlande zurück, weil sein Vater
und sein Oheim, der ihn bisher hatte studiren lassen, gestorben
waren. Seine Verwandten glaubten, er würde nun ein brauch-
barer Rechtsgclehrter seyn; da er aber versicherte, er verstehe
von dem Rechte zwar nur wenig, könne aber den Lauf der
Gestirne berechnen, so zuckten sic verächtlich die Schultern, und
meinten, das wären brodlose Künste. Er verließ daher diese
Menschen, die für seine Wissenschaft keinen Sinn hatten, be-
suchte die Universität Wittenberg, und ging dann nach Rostock,
wo er das Unglück hatte, daß ihm in einem Duell die Nasen-
spitze abgeschlagen wurde, so daß er fortan mit einer silbernen
Nase sich behelfen mußte. Zn diesen beiden Städten und in
Augsburg brachte er 6 Zähre abwechselnd zu; dann sah er
sein Vaterland wieder. Hier bemerkte er im November 1572
plötzlich an einem heitern Abende einen Stern von einer unge-
wöhnlichen Größe, den er noch nie bemerkt hatte, und der auch
in keinem Sternverzeichnisse zu finden war» Er traute kaum
seinen Augen, und konnte sich nicht anders denken, als daß
dieser vorher noch nie gesehene Stern erst entstanden seyn
müsse. Nun beobachtete und beschrieb er ihn genau. Er war
so hell, daß er die Venus an Größe und Helle übertraf, und
selbst am Tage gesehen werden konnte. - Von da an wurde er
allmälig immer kleiner, und im März 1574 verschwand er
ganz. Tycho's Ruhm wurde nun immer mehr verbreitet. Ei-
nige wißbegierige Zünglinge baten ihn, Vorlesungen über Astro-
nomie in Koppcnhagen zu halten; endlich willigte er auf Bit-
ten des Königs Friedrichs 2. von Dänemark ein. Dann trat
er eine Sveife nach Italien und die-Schweiz an, und wollte
sich für immer bei Basel niederlaffen. Aber der König wünschte
ihn im Lande zu behalten, und schenkte ihm die Insel Hw een
im Sunde, wo er ihm auf seine Kosten eine Sternwarte, die
Uraniborg, baute, und mit schönen Instrumenten versehen
ließ. Nun war Tycho erst recht in seinem Element. Ein und
zwanzig Jahre lang brachte er hier unablässig mit Beobachtun-
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471
gewonnen habe. Die Sachsen unter Nutowski hatten die
steilen, mit schlüpfrigem Eise und mit Schnee bedeckten Hügel
dieses unweit Dresden gelegenen Dorfes so stark mit Kanonen
besetzt, daß die Preußen, die muthig mit dem Bajonett hinan-
klettern wollten, zwei Mal mit großem Verluste zurückgeworfen
wurden. Aber nun beging Nutowski einen großen Fehler; er
verfolgte die Preußen bis vor das Dorf; hier wendeten ste aber
um, und drangen mit den Sachsen vermischt hinein, erstürmten
die eisigen Höhen, und die Schlacht war gewonnen. Friedrich
eilte nun nach dem Schlachtfelde, umarmte dankbar den alten
Fürsten, und rückte in Dresden ein. Hier machten ihm sächsi-
sche und öftreichische Abgeordnete Frledensanträge, und schon
§m 25sten December 1745 wnrde der Frieden in Dresden
unterzeichnet, durch welchen dem Könige von Preußen der Be-
sitz Schlesiens aufs neue bestätigt wurde. Der größte Gewinn
aber, welchen er von diesem Kriege hatte, war der große Ruhm,
den sich das preußische Heer erworben, das Selbstvertrauen,
welches es beseelte, und die Achtung, welche der König nun
überall genost. Dieser erkannte nun auch den Gemahl der
Maria Theresia, Franzi., der kurz vorher von den übrigen
Kurfürsten zum Kaiser gewählt war, als solchen an; doch hat
nicht sowohl dieser Franz, der überdies schon 1765 starb, son-
dern mehr seine kluge Gemahlin, die Regierung geführt.
Der öftreichische Erbfolgekrieg währte noch einige Jahre
zwischen Oeftreich und Frankreich fort, und wurde besonders
in den Niederlanden geführt, wo sich unter den französischen
Generalen vorzüglich der berühmte Marschall von Sach-
sen, ein Halbbruder Augusts 3., Hervorchat. Endlich kam es
zum Frieden von Aachen 1748, wodurch Oestreich nichts
als einige keine Landschaften in Italien einbüstte.
91. Der siebenjährige Krieg, 1756-— 1763.
Gleich nach der Rückkehr Friedrichs 2. in seine Staaten,'
wandte er alle seine Thätigkeit auf nützliche Einrichtungen für
daö Wohl seiner llnterthanen. Unter vielen andern vollendete
er das große Invalidenhaus bei Berlin, baute eine neue Dom-
kirche, legte in Neustadt -Eberswalde eine Colonie von Messer-
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Extrahierte Personennamen: Nutowski Friedrich Friedrich Maria_Theresia Maria Theresia Franzi Franz Franz Augusts Oestreich Friedrichs
Extrahierte Ortsnamen: Sachsen Dresden Sachsen Dresden Dresden Frankreich Niederlanden Aachen Italien Friedrichs Berlin
454
sah mehr auf äußere Pracht, als auf innere Kraft, und es
schien ihm eine größere Ehre, in prächtigen Hofkleidern zu er-
scheinen, als Größe der Seele zu zeigen. Seine Gemahlin,
Sophie Charlotte, dagegen war eine treffliche, überaus
gescheute Frau. Sie stiftete die berliner Societät der Wissen-
schaften, aus welcher späterhin die Akademie der Wissenschaf-
ten entstanden ist. Auch hat Charlottenburg von ihr seinen
.Namen. Friedrich 1. hat regiert von 1688 — 1713.
Ein ganz anderer Mann war sein Sohn Friedrich
Wilhelm 1. Das erste, was er nach seiner Thronbesteigung
that, war, daß er den bisher getriebenen Luxus einschränkte.
Von den 100 Kammerherren seines Vaters behielt er nur 12;
das reiche Gold- und Silberservice wurde in die Münze ge-
schickt, und die Schulden seines Vaters zum Theil damit be-
zahlt. In allen Theilen feines Haushalts führte er die größten
Ersparungen ein; er aß mit seiner Familie nur Hausmanns-
kost, und mancher reiche Bürger verwendete mehr auf seine
Tafel und Kleidung als er. Dabei war er die Thätigkeit selbst,
sah nach Allem, verlangte von Andern dieselbe Pünktlichkeit,
die er besaß, und wehe dem Beamten, den er nachlässig betraf.
Sein Unwille machte sich ohne Umstände durch Stockprügel,
Faustschläge oder Fußtritte Luft, und bei dem geringsten Wi-
derspruche schnarche er durch die Nase: „räsonnire er nicht!"
Ueberhaupt war er hart, herrisch, verlangte unbedingten und
blinden Gehorsam. Sein Geist hatte nicht die Bildung erhal-
ten, die sein hoher Standpunkt erforderte. Weder von Gelehr-
samkeit noch von Gelehrten war er ein Freund, und es war
ihm eine rechte Freude, wenn er letztere lächerlich machen oder
ihnen sonst einen Streich spielen konnte. So machte er seinen
Hofnarren zum Präsidenten der Societät der Wissenschaften in
Berlin, und als er hörte, daß sich die Professoren der Univer-
sität Halle der Errichtung eines Theaters in ihrer Stadt wi-
dersctzt hatten, befahl er, der Professor Franke der Jüngere
sollte einer Vorstellung beiwohnen und ihm darüber Bericht ab-
stattcn, weil er gehört hatte, daß dieser Mann es als eine
Todtsünde betrachtete, das Schauspielhaus zu betreten. Ein so
koher Geist wie der dieses Königs konnte für geistige Genüsse
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Extrahierte Personennamen: Sophie_Charlotte Friedrich Friedrich Friedrich
Wilhelm Friedrich Wilhelm Franke
507
Zur Belebung des Handels errichtete er eine Bank, zuerst in
Berlin, dann auch in den Hauptstädten der Provinzen. Weni-
ger zufrieden waren die Unterthancn mit der Einführung der
Accise und der Erhöhung der Zollabgaben. Er rief da-
zu Franzosen ins Land, weil er diese für geschickter hielt, Ab-
gaben zu erheben. Es war eine höchst drückende Einrichtung.
Nicht nur an der Gränze, sondern am Thore jeder Stadt sah
sich der Reisende aufgehaltcn, und war den Plackereien der
Visitatoren preisgegeben. Die Wagen wurden mit mißtraui-
schen Blicken durchsucht und die Koffer durchwühlt, und uin
diesen Unbequemlichkeiten zu entgehen, sah sich der Reisende ge-
nothigt, zur Bestechung seine Zuflucht zu nehmen, wodurch die
Beamten gewiffenslos wurden. Nicht viel weniger gehaßt war
das Tabacksmonopol. Die llntcrthanen durften keinen
andern Taback kaufen, als den, welchen die königlichen Fabri-
ken lieferten, und da dieser schlecht und zugleich theucr war,
so wurde fremder Taback heimlich aus dem Auslande einge-
bracht. Dadurch wurde aber die Moralität vieler Menschen
verdorben, und viele wurden unglücklich, indem die Aufpaffer sie
über dem Schleichhandel ertappten. Auch die hohe Abgabe,
welche Friedrich auf den Kaffee legte, wurde scharf getadelt.
Er wollte nicht, daß so hohe Summen jährlich für dies aus-
ländische Getränk aus dem Lande gingen; denn seit einiger
Zeit war der Genuß des Kaffee's allgemein verbreitet. Die
erhöhte Abgabe erregte daher allgemeines Murren, aber einge-
schränkt wurde der Verbrauch dennoch nicht, weil der Mensch
nur sehr schwer von eingewurzelten Gewohnheiten sich tren-
nen kann.
Andere Einrichtungen fanden mehr Beifall. Besonders er-
kannten die Märker mit Dank die vielen Verschönerungen,
welche Friedrich mit Berlin und Potsdam vornahm. Er
erbaute unter andern das neue Schloß bei Potsdam, und
zierte den Wilhclmsplatz in Berlin mit den Standbildern
der vorzüglichsten Helden des 7jährigen Krieges: Ziethens,
Schwerins, Seidlitzs, Winterfelds und Kciths.
Vorzüglich viel that er für Schlesien, welches auch am meisten
durch den Krieg gelitten hatte. Er legte hier auf den Höhen
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Extrahierte Personennamen: Friedrich Friedrich Friedrich Friedrich
Extrahierte Ortsnamen: Berlin Berlin Potsdam Potsdam Wilhclmsplatz Berlin Schwerins
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4;7
mein ehrwürdiger alter Vater, denn du möchtest mir
meine ganze Schatzkammer erschöpfen!"
5) Inder Pariser Akademie, wurde eine Sammlung
veranstaltet, zu welcher jedes Mitglied einen Louisdor
geben sollte, welchen der Secretair der Gesellschaft in sei-
nem Hute einsammelte. Dieser hatte nicht bemerkt, daß
der äußerst geitzige Präsident seinen Beitrag bereits in
den Hut geworfen hatte, und fordert ihn daher noch ein-
mal ein. Der Präsident versichert, er habe seinen Louis-
dor schon gegeben. „Ich glaub es", antwortete höflich
Mißtrauisch der Sammler, „aber ich hab es nicht gese-
hen." „Und ich hab es wohl gesehen", sagte der
witzige Fvntenelle, der dicht neben dem Präsiden-
ten saß, „aber ich glaub es nicht!".
4) Ein eingebildeter Mensch, der Alles tadelte, hatte
eine Spottschrift auf einen Mann gemacht, den er nicht
leide» konnte, wofür ihn dieser tüchtig abprügclte. —
Der Geprügelte geht zu dem Fürsten, und fordert Ge-
rechtigkeit. — — „Was Ihr verlangt, mein Freund,
erwiederte der Fürst, habt Ihr ja bereits empfangen."
5) Einige alberne junge Leute fuhren mit einem Ju-
den auf dem Postwagen, und hielten sich berechtigt, ihren
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Peter Johanson in Schweden war stockblind,
ging aber ohne Führer in den Wald, fällte Holz, machte
Karren, Wagen, Schlitten, schmiedete Elsen, machte
Messer, goß Knöpfe und Schnallen, und verfertigte die
Formen dazu aus Saud. Er arbeitete sich seine Schuhe '
und seine Violinen, auf welchen er spielte, selbst. —-
Ein andrer Blinder in England, Joseph Arong, war
leidenschaftlich für Musik eingenommen und hatte so gern
den Vau einer Orgel gekannt. Er laßt sich einmal in
die Kirche einschließen, ohne daß es Jemand wußte; er
untersucht die Orgel, und um Mitternacht tritt er die
Balgen, spielt dann ein wenig, tritt wieder und spielt
wieder, um die Register und Pfeifen zu prvbireu. Es
wird Getöse; es hallen, es rufen, es brummen, es
pfeifen die Töne in der tiefen Todtenstille der Nacht;
jetzt werden sie lebendig und laut, dann sind sie ganz
stille; mau wird aufmerksam; man horcht draußen, aber
cö getraut sich keiner in die Kirche, weil es Mitternacht,
und weil eben vor einigen Tagen der Organist gestorben
ist. Wer kann anders den Orgellarm machen, als der
selige Organist? — doch ein Muthiger geht hinein, und
erwischt unsern Spieler, der nun die Erlaubniß erhalt.
Alles zu untersuchen, und in kurzer Zeit selbst eine Orgel
erbaut.
Eine Seltsamkeit muß hier um so mehr erwähnt wer-
den, da sie zu mancherlei Gedanken Anlaß gibt. Der
Engländer Barnshaw war Grob- und Kupfcrschmidt,
Gewehrmacher, Maler, Kupferstecher; er zeichnete und
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